Pflanzenzähmen leicht gemacht

Der heutige Gastbeitrag kommt von Dr. David Spencer, seines Zeichens Pflanzendompteur. David hat in der Pflanzenzüchtung an der RWTH promoviert und erklärt leicht verständlich, was ihn motiviert hat, an der gentechnischen Optimierung von Nutzpflanzen zu arbeiten und wie er dabei vorgegangen ist. Ganz so einfach wie er das schildert, läuft eine Doktorarbeit meistens nicht ab – es gibt Rückschläge und viele Versuche funktionieren nicht auf Anhieb so, wie man es sich wünscht. Umso schöner ist es, wenn zum Schluss, zumindest in der Modellpflanze Tabak, das Ergebnis erzielt wird, dass man sich wünscht! Über Feldversuche und ihre Auswertung bis zur endgültigen Zulassung der Pflanzen ist es noch ein langer Weg – der wichtigste wissenschaftliche Schritt, der „Proof of Principle“ ist aber getan!
Die Doktorarbeit von ihm verlinken wir hier. Sie ist für Laien eher schwer lesbar, sie soll nur zeigen, wieviel Arbeit hinter diesem kurzen Artikel steckt.
Hier ist Davids Geschichte:

Seit der Neolithischen Revolution bauen Menschen Pflanzen an, um die Weltbevölkerung zu versorgen. In diesem Züchtungsprozess hat unser Gemüse verlernt sich gegen Stressfaktoren wie Trockenheit oder Krankheitserreger zur Wehr zu setzen. Was, wenn wir ihm diese Fähigkeiten zurückgeben können?

Das Dilemma der Landwirtschaft

Auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft stehen wir an einem Scheideweg: Wir wollen den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduzieren – aber auch gutes und gesundes Gemüse ernten. Wir wollen wertvolle Lebensräume erhalten – aber auch die wachsende Bevölkerung ernähren. Wir wollen die nachweislich negativen Effekte der Landnutzung auf die Umwelt aus der Welt schaffen, ihren ökologischen Fußabdruck minimieren und klimaresistente Sorten anbauen – aber bitte ohne mineralische Düngemittel, ohne lange Transportwege und ohne Gentechnik.

Dabei hat gerade Letztere großes Potential. Mit den Methoden der Grünen Gentechnik lassen sich Nutzpflanzen züchten, die wirklich gut zu unseren Nachhaltigkeitszielen passen. Die Züchtungsgeschichte der Pflanzen lässt sich in etwa mit der unserer Haustiere vergleichen: Schäferhunde sind imposant, Französische Bulldoggen sind süß, Windhunde sind schnell. Aber sie alle tendieren zur Entwicklung bestimmter Erkrankungen – von Hüftproblemen bis hin zu Immundefiziten. Zwar haben wir nach über 10.000 Jahren der Pflanzenzucht nun große und pralle Tomaten, aber auch sie sind anfällig für Krankheitserreger aller Art. Die wilden Verwandten unserer Nutzpflanzen (und Nutztiere!) sind da schon deutlich widerstandsfähiger, resistenter, und genau da setzt die moderne Pflanzenbiotechnologie an.

Sojabohnenrost
In meiner Doktorarbeit habe ich ergründet, ob sich mittels gentechnischer Methoden eine Krankheitsresistenz in der Sojabohne erzeugen lässt. Genauer ging es um die Bekämpfung des „Asiatischen Sojabohnenrosts“, der durch Pilze der Gattung Phakopsora ausgelöst wird. Dieser Erreger ist für beachtliche Ernteausfälle in Südamerika, USA und China verantwortlich und kann derzeit nur mit mehrmaligem Einsatz von Fungiziden in Schach gehalten werden. Eine Sojasorte, die immun gegen den Sojabohnenrost ist, existiert auf dem Markt nicht.

Doch es gibt Grund zur Hoffnung: In meiner Arbeitsgruppe an der RWTH Aachen suchen wir systematisch nach natürlich auftretenden Resistenzen in verschiedenen Pflanzenfamilien, identifizieren die dafür verantwortlichen Gene und übertragen diese auf die Sojabohne. So lässt sich abschätzen, inwiefern ein Austausch dieser „pflanzlichen Superkräfte“ mittels Gentechnik funktionieren kann und welche potentiellen Risiken und Chancen damit einhergehen. Unter Laborbedingungen testen wir sogenannte Genkonstrukte, indem wir sie mit Hilfe von Agrobacterium tumefaciens von einer Pflanze auf eine andere übertragen (etwas genauer erklärt im Blog-Artikel zur Amerikanische Kastanie). Dieses kleine Bakterium schafft es, mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) produzierte DNA-Fragmente über einen Vektor in den Zielorganismus einzuschleusen. Erfolgreich modifizierte Pflanzen werden dann im Hinblick auf Nebeneffekte, Ertrag und Krankheitsresistenz genauer untersucht.


Sonnenblumen
Einen ersten Anhaltspunkt auf der Suche nach den oben erwähnten natürlichen Resistenzen bekam ich bei einem Besuch im Botanischen Garten in Bonn. Bei der Auswertung von über 60 Blattproben verschiedener Arten stellte sich heraus, dass eine Pflanze besonders wehrhaft gegen Pilzkrankheiten ist: Die Sonnenblume. Im Labor setzte ich Pilzsporen von Phakopsora, dem Soja-Erreger, auf Sonnenblumen-Blätter in unterschiedlichen Stadien. Die sonst sehr keimungsfreudigen Sporen zeigten keinerlei Aktivität. Gleichzeitig konnte ich nachweisen, dass der Kontakt von Sonnenblumen mit dem Erreger des Sojabohnenrosts zu einer gezielten Immunantwort der Pflanze führt: Gene des sogenannten Phenylpropanstoffwechsels werden aktiviert und Abwehrsubstanzen auf die Blattoberfläche transportiert. Die Sonnenblume verfügt also über die Fähigkeit, den fremdartigen Krankheitserreger zu erkennen, wirksame Abwehrstoffe rasch zu produzieren und die Pilzsporen so in ihrem Wachstum zu hemmen.

Screenshot aus dem YouTube-Video https://www.youtube.com/watch?v=cvC8OSuejmE)

Tabak
Wie so oft in der Wissenschaft waren Anschlussfragen schnell gefunden: Wie detektiert die Sonnenblume die Anwesenheit des Pilzes? Wie genau funktioniert der Transport der Abwehrsubstanzen auf die Blattoberfläche? Und um welche Abwehrstoffe handelt es sich überhaupt? Dazu spülte ich die Oberfläche der Sonnenblumenblätter mit Wasser ab und sammelte das „Waschwasser“ zur weiteren Analyse. Mittels Flüssigkeitschromatographie fand ich heraus, dass zwei Moleküle aus der Familie der Cumarine besonders stark in resistenten Sorten vertreten waren. Außerdem identifizierten wir gemeinsam mit unseren Partnern in der Aachener Uniklinik einige antimikrobielle Proteine, die im Waschwasser der Sonnenblume angereichert waren. Mit Hilfe von Agrobacterium brachte ich in einem ersten Schritt die notwendigen Gene für Produktion und Transport der Cumarine in eine Tabak-Zellkultur. Verglichen mit den Kontrollzellen ohne Sonnenblumengene zeigten die Testkulturen eine signifikant erhöhte Cumarin-Konzentration im Kulturmedium.

Von Cumarinen weiss man, dass sie als natürlicher Abwehrstoff gegen Pilzinfektionen in verschiedenen Pflanzen produziert werden.

Doch die Ergebnisse eines Zellkultur-Experiments sind mit Vorsicht zu genießen: Was in einzelnen Zellen funktioniert, muss noch lange nicht in ganzen Pflanzen oder im Feldversuch bestehen. Aus diesem Grund zog ich parallel zu den Zellkulturen auch ausgewachsene Tabakpflanzen heran und testete auch in ihnen die Kandidatengene aus der Sonnenblume in einem „transienten Transformationsexperiment“. Bei der transienten Transformation wird die Agrobakterienlösung vorsichtig mit einer Spritze durch die Spaltöffnungen an der Blattunterseite in die Tabakpflanze gedrückt („Agroinfiltration“). Mittels Fluoreszenz und/oder molekularer Marker lässt sich einige Tage später überprüfen, ob die Gene erfolgreich übertragen wurden. Analog zu den Experimenten mit Sonnenblumen sammelte ich schließlich das Waschwasser der so behandelten Tabakblätter und konnte zwei Beobachtungen dokumentieren: Erstens war der Cumaringehalt auf der Blattoberfläche durch die Transformation deutlich erhöht und zweitens zeigte das Waschwasser eine deutliche keimungshemmende Wirkung auf Phakopsora-Sporen. Das Wachstum des Erregers im Vergleich zur unbehandelten Kontrolle war um gut 50 % reduziert.

Warum Tabak? Steckt da die Zigarettenindustrie hinter, um noch effektiver Tabak anpflanzen zu können?
Nein, Tabak ist eine beliebte Modellpflanze der „Grünen Gentechnik“. Die Pflanzen sind leicht zu züchten, das Genom ist bekannt, und die großen Blätter sind sehr gut für die „Agroinfiltration“, die lokale gentechnische Veränderung in einem Blatt geeignet
.

Und was ist mit den Sojabohnen?
Zusammenfassend konnte ich also zeigen, dass sich die Fähigkeit zur Immunreaktion von einer Pflanzenart auf die andere übertragen lässt – und zwar durch gezielte Einbringung der notwendigen Erbinformation mittels Gentechnik. Die Auswertung der Feldversuche in Sojabohne wird von einem Kooperationspartner in Brasilien durchgeführt und steht derzeit noch aus. Sollten sich meine Erkenntnisse aus den Versuchen mit Tabak auch für Soja bestätigen, wären Sortenanmeldung und -zulassung der nächste Schritt. Dabei ist meine Arbeit nur eines von vielen Beispielen, wie die Natur uns Pflanzenforschenden wertvolle Werkzeuge liefern kann, die wir dann unter Nutzung moderner Methoden kopieren können. Von natürlichen Alternativen für den Pflanzenschutz aus Sonnenblumen über Fleischersatzprodukte aus Hülsenfrüchten bis zu biobasierten Gummireifen aus Löwenzahn-Kautschuk ist die Liste der Anwendungen gefühlt endlos.

Trotz dieser hoffnungsvollen Aussichten ist alle Forschung umsonst, wenn sie in Politik und Gesellschaft auf Ablehnung stößt. Im Fall der Grünen Gentechnik schauen wir da auf eine ganz besondere, ja fast schon traditionelle Form der Ablehnung, die speziell in Deutschland und der EU von Falschinformation und einer starken Anti-Gentechniklobby genährt wird. Als Wissenschaftler bin ich überzeugt, dass das Gentechnikrecht veraltet ist und dringend an den Stand der Forschung angepasst werden muss, damit wir sie für eine wirklich nachhaltige Lebensmittelproduktion einsetzen können. Während meiner Promotion habe ich deshalb bereits viele Formate der Wissenschaftskommunikation ausprobiert und versucht, das komplexe Thema Gentechnik greifbarer zu machen. Neben zahlreichen Science Slams, einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Pflanzen-Podcast und Einladungen zu Podiumsdiskussionen, Fachkongressen und Schulveranstaltungen erschien im April 2022 ein populärwissenschaftliches Sachbuch mit dem Titel „Alles bio – logisch?!“. Als Autor und freier Publizist bin ich nach Abschluss meiner Doktorarbeit weiterhin aktiv im Zeichen einer evidenzbasierten Nachhaltigkeit.

David produziert seine Podcast- und Youtube-Beiträge selbst, um die Themen der Pflanzenforschung greifbarer zu machen. Foto: BIOCOM

Empfehlenswerte Links von David:

https://www.youtube.com/@Krautnah

www.davidspencer.de