18.12.2024
Der AquAdvantage Lachs war das erste gentechnisch veränderte Tier, das für den menschlichen Konsum in USA und Kanada zugelassen wurde. War, denn die Firma AquaBounty hat jetzt die Produktion eingestellt. Warum ist das Projekt dann doch gescheitert? Die Geschichte hat eine gewisse Tragikomik: AquaBounty hatte über viele Jahre mit Anti-Gentechnik-Kampagnen zu kämpfen und politisch bedingte Verzögerungen im Zulassungsverfahren kosteten viel Zeit und Geld. Im Namen des Umweltschutzes wurde die vermutlich nachhaltigste, ökologisch sinnvollste und umweltschonendste Lachszucht beendet.
Lachsfarmen
Mehr als 70% der weltweit gehandelten Lachse stammen aus Lachsfarmen. Das sind große Netzgehege im Meer. Jungfische werden in Tanks an Land angewachsen und dann in die Netzgehege gesetzt, bis sie die Schlachtgröße erreicht haben.
Bei Lachsfarmen gibt es mehrere Probleme: die großen Mengen an Tieren werden mit Pelletfutter versorgt und sie fressen viel! Entsprechend viel Fäkalien produzieren sie und es besteht ständig die Gefahr, dass küstennahe Farmen oder besonders auch Fjorde in Norwegen stark verunreinigt werden und eutrophieren. Nicht genutztes Futter sinkt zu Boden und trägt ebenfalls zur Verschmutzung bei.
Die sehr dichte Fischpopulation ist anfällig für Infektionskrankheiten. Die Auswirkung der eingesetzten Antibiotika und anderer Medikamente gibt zu Sorge Anlass. Allerdings werden heute in vielen Farmen die Tiere geimpft und der Antibiotikaeinsatz ist zurückgegangen. Allerdings verbreitet sich eine Seuche, die im Farmgehege ausbricht, auch unter den Fischen im offenen Meer und kann dramatischen Einfluss auf das Ökosystem nehmen.
Ein weiteres Problem sind aus der Anlage entkommene Fische. Das sind nicht wenige – in Norwegen schätzt man 200.000 entkommene Lachse pro Jahr. Zuchtlachse stammen oft nicht aus dem Gebiet, in dem sie aufgezogen werden. Wenn sie aus dem Gehege entweichen, können sie sich mit heimischen Lachsen kreuzen oder mit ihnen konkurrieren. Die Auswirkungen können harmlos sein oder katastrophale Folgen für das Ökosystem haben. Man weiss es nicht.
AquaBounty und AquAdvantage-Lachs
Bereits 1989 entwickelte das amerikanische Unternehmen AquaBounty einen transgenen Lachs (Atlantischer Lachs = Salmo salar) mit einem Hybridgen (opAFP-GHc2). Dieses enthält die codierende Sequenz des Wachstumshormons (GH) aus dem Chinook Salmon (Königslachs = Oncorhynchus tshawytscha) und den Promotor (regulatorische Sequenz) des Anti-freeze-Gens (AFP) aus dem Ocean Pout (Meeres-Dickkopf = Zoarces americanus).
Der gewünschte und auch erzielte Effekt war eine höhere und kontinuierliche Expression des Wachstumshormons.
Lachse legen im Frühjahr und Sommer an Gewicht zu. Die restliche Zeit schwimmen sie herum, fressen, wachsen aber nicht.
Durch das Transgen findet, bei ausreichendem Futter, Wachstum über das ganze Jahr statt. Das führt dazu, dass die Fische in 16-18 Monaten (anstatt in 3 Jahren) die Schlachtreife erreichen und wesentlich weniger Futter brauchen (und wesentlich weniger Fäkalien in die Umwelt setzen).
Sicherheit
Alle neuen Lebensmittel müssen auf Sicherheit überprüft werden, um für den Konsum zugelassen zu werden. Dafür ist in Europa z.B. die EFSA, in den USA die FDA zuständig. Besonders strenge Zulassungsverfahren gelten für gentechnisch veränderte Lebensmittel, die neben gesundheitlichen Kriterien auch auf eventuelle ökologische Risiken überprüft werden. So ganz logisch ist das nicht: eine gezielte Veränderung im Genom wird genauer überprüft als eine zufällige, von der man meistens überhaupt nicht weiss, was verändert wurde?
Technische Überprüfung
Beim AquAdvantage-Lachs wurde selbstverständlich überprüft, ob das neue Hybridgen vollständig und ohne genetische Veränderungen eingebaut wurde – sonst würde es ja nicht funktionieren!
Beim Einbau von Genen, besonders bei der „alten Gentechnik“ (vor CRISPR-Cas), kann ein Gen mehrfach eingebaut werden. Die Analyse zeigte, dass das nicht der Fall war.
Die „alte Gentechnik“ hat weiterhin den Nachteil, dass ein Transgen an verschiedenen Stellen eingebaut werden kann. Es wurde also überprüft, wo es eingebaut war und ob es möglicherweise andere Gene stören könnte. Das Gen lag in einem repetitiven DNA-Bereich, d.h. innerhalb von Sequenzen, die viele Male wiederholt sind und die keine offensichtliche Funktion haben. Ganz ausschließen kann man das nie, die folgenden Tests über 10 Generationen zeigten jedoch, dass es keine erkennbaren Risiken gibt.
Ist die genetische Veränderung stabil? Es wäre denkbar, dass der Organismus das neue Gen vollständig oder unvollständig rauswirft oder dass es zu einer Umorganisation im Genom führt. Das ist relativ unwahrscheinlich, musste aber überprüft werden. Bis zur endgültigen Zulassung wurden 10 Generationen von Lachsen getestet, ohne eine Veränderung in dem Genkonstrukt zu finden.
Bei konventionellen Züchtungen ist eine solche Überprüfung unnötig!
Gesundheitsüberprüfung
Neue Züchtungen werden (mehr oder weniger) sorgfältig untersucht, ob die Inhaltsstoffe mit dem ursprünglichen Organismus übereinstimmen. Dabei geht es qualitativ und quantitativ um den Gehalt an Fetten, Proteinen, Kohlehydraten, Vitaminen und vielen anderen Bestandteilen. Bei konventionellen Züchtungen wird da schon mal was übersehen (z.B. stellte sich bei der Lenape-Kartoffel einige Zeit nach der Zulassung und Vermarktung erst heraus, dass sie viel zu viel giftige Alkaloide enthielt). Beim Lachs waren alle Werte in Ordnung und unterschieden sich nicht signifikant von denen im wilden Lachs. Die FDA stellte schließlich fest, dass der AquAdvantage-Lachs für den Verzehr ebenso sicher wie ein herkömmlicher Lachs ist. Etwas skurril: die FDA weist besonders darauf hin, dass Menschen mit einer Allergie gegen Lachs auch Probleme mit dem AquAdvantage-Lachs haben werden. Lachs ist eben Lachs!
Ökologische Sicherheit
Gentechnisch veränderte Tiere könnten aus einem Netzgehege entkommen, sich mit freilebenden Tieren kreuzen oder die natürliche Population verdrängen. AquaBounty hat dafür drei Vorsichtsmaßnahmen eingerichtet.
Die Fischzucht erfolgt in großen Tanks im Landesinneren – es gibt keinen Zugang zu natürlichen Gewässern.
Durch einen Trick (ohne Gentechnik!) besteht die Zucht nur aus Weibchen – damit ist eine Vermehrung in den Tanks ausgeschlossen.
Durch einen weiteren Trick (ebenfalls ohne Gentechnik) haben die Tiere drei statt zwei Chromosomensätze. Das stört die Tiere nicht weiter, es macht sie nur steril. Falls also ein Weibchen aus den Tanks entkommt und nach einer längeren Reise über Land das offene Meer erreicht, wäre es noch immer nicht vermehrungsfähig,
Bei konventionellen Fischfarmen macht man sich zu solchen Problemen wenig Gedanken. Vor der Küste Chiles gibt es riesige Lachsfarmen (die eine deutliche Umweltbelastung darstellen). Natürlicherweise gibt es in diesen Gewässern keine Lachse. Was aus den Netzgehegen entkommene Fische (und das sind viele!) in dem Ökosystem anstellen, scheint niemanden besonders zu interessiert.
Zulassung und Probleme
Es hat fast 20 Jahre gedauert, bis die FDA schließlich den AquAdvantage-Lachs zugelassen hat. Offensichtlich gab es politisch bedingte Verzögerungen und Verschleppung des Verfahrens.
Anti-Gentechnik-Vereine haben dabei eine wesentliche Rolle gespielt und z.B. 2020 eine erfolgreiche Klage gegen die Zulassung durch die FDA erhoben. Die Zulassung wurde zurückgezogen. Das Urteil wurde zwar später durch die erneute Zulassung überholt, hat aber zu mehreren Jahren (kostspieliger) Verzögerung geführt.
Die Anti-Gentechnik-Allianz ist ziemlich beeindruckend und besteht u.a. aus Friends of the Earth (in Deutschland BUND), Block Corporate Salmon, North American Marine Alliance, Community Alliance for Global Justice, Canadian Biotechnology Action Network, American Anti-Vivisection Society, Center for Food Safety, GM-Watch und anderen. Das Konsortium dieser (sehr finanzstarken) Gruppen hat z.B. eine große Kampagne organisiert, um den Lebensmittelhandel unter Druck zu setzen und mehr als 80 der großen Supermärkte in den USA zu überreden, den AquAdvantage-Lachs abzulehnen. Zusätzlich wurden große Restaurantketten „überzeugt“. Bei Verbrauchern mit Falschinformationen Angst zu erzeugen ist eine Routine, die auch in Deutschland gut funktioniert. „Unkalkulierbare Risiken“ und „mögliche Auswirkungen auf die Gesundheit“ sind beliebte Argumente. Man kann Risiken nie vollständig ausschließen und auch beliebte Öko-Nahrungsmittel haben „mögliche (negative) Auswirkungen auf die Gesundheit“. Lucy Sharratt, Koordinatorin des “Canadian Biotechnology Action Network”, sagt, dass AquaBounty einen Hype aufgebaut, aber nichts von Wert zu verkaufen hätte. Nun ja, ein beliebter Speisefisch, der in der halben Zeit, mit 25% weniger Futter und damit auch weniger „Gülle-Produktion“ auf den Tisch kommt hat keinen Wert?
Zweifelhafte „Erfolge“
Die Kampagnen haben gewirkt. Die Anti-Gentechnik-Allianz feiert. AquaBounty gibt 2024 auf – der Fisch wird nicht mehr produziert. Nach 20 Jahren eines zermürbenden Zulassungsverfahrens und Kampagnen von hoch professionellen Anti-Gentechnik-Konsortien sind die finanziellen Reserven aufgebraucht und die Investoren ermüdet. Vielleicht können jetzt die Lachsfarmen vor Chile und Norwegen erweitert werden und die Umwelt schädigen. Friends of the Earth und die anderen „Action Networks“ können sich andere Opfer suchen und mit Unmengen an Spendengeldern etwas „von Wert“ erschaffen (z.B. Prozesse anstrengen, Kampagnen finanzieren und nachhaltigere Lebensmittelproduktion verhindern).
Es ist erschreckend, wie leicht es unzureichende oder gar ideologisch geprägte Schulbildung diesen Organisationen macht, Angst und Schrecken zu verbreiten und kritisches Denke, aufgrund wissenschaftlicher Fakten zu verhindern. Ein weiteres Beispiel dafür gibt es hier.
Eine gute Zusammenfassung gibt es auch hier.
Autor: Wolfgang Nellen, BioWissKomm