Von Bienen und Elefanten

In den großen afrikanischen Nationalparks und an ihren Grenzen gibt es Konflikte zwischen Naturschutz und menschlichen Interessen. Besonders Elefanten dringen in Dörfer und Felder der Kleinbauern ein, zerstören die Ernte und nicht selten werden Dorfbewohner getötet. Welche Möglichkeiten gibt es, diese Konflikte zu lösen?

Der Konflikt zwischen Mensch und Natur

Menschen verändern die Natur zu ihrem Vorteil und stehen damit praktisch immer in einem Konflikt mit dem Naturschutz. In Tansania ist dieser Konflikt besonders an den Grenzen der großen Nationalparks, z.B. in der Kilimanjaro Region, ausgeprägt. Die indigene Bevölkerung lebt eigentlich noch relativ naturnah, leidet aber unter den Einbrüchen von Großwild aus den Parks in die Felder und Dörfer. Besonders Elefanten sind ein Problem. Sie zerstören die Ernte und nicht selten werden Dorfbewohner von ihnen getötet. Die Regierung hat drastische Strafen gegen Wilderei verhängt und damit den illegalen Elfenbeinhandel eingeschränkt. Aber auch die Bauern fallen unter das Gesetz und dürfen eindringende Elefanten nicht töten.

Der Schutz der Wildtiere ist für die Biodiversität wichtig, aber auch für den Tourismus, der einen bedeutenden Beitrag zum Einkommen der Bevölkerung leistet. Gleichzeitig ist aber auch die kleinbäuerliche Landwirtschaft erhaltenswert.
Was tun?
Die Regierung zahlt für Schäden bis zu 1 Million Schilling (400€) was kaum die Ernteschäden und erst recht kein Menschenleben kompensiert.
Eine andere „Lösung“ ist die Umsiedlung, besonders der Massai aus den großen Gebieten der Nationalparks und der benachbarten Regionen ín den östlichen Teil des Landes. Das entspricht einer Vertreibung der Stämme, die seit Jahrhunderten auf ihrem angestammten Land als Wanderhirten und Bauern leben.
Eine weitere Idee ist die Aufstellung elektrischer Zäune zur Abwehr von Wildtieren. Die hohen Spannungen stellen jedoch eine tödliche Gefahr für kleinere Tiere dar und die Kosten wären gigantisch.

Das TEF-Büro in Moshi

TEF, die „Tanzanian Elephant Foundation” (https://www.tef.or.tz/beehive-fence/) führt ein Projekt durch, dass für Bauern und Naturschutz befriedigend und sogar profitabel sein könnte.
Ich fuhr also mit Stephan Auner zum TEF-Büro nach Moshi um mehr über das Projekt „Bienenzäune“ zu erfahren. In dem kleinen Büro saßen drei Mitarbeiter hinter ihren Computern. Freundlich, aber auch etwas wortkarg gab es ein paar wenige Antworten. Beeindruckt hat mich der Besuch nicht. Noch eine NGO, die große Pläne schmiedet, aber nicht viel mit der Wirklichkeit zu tun hat, dachte ich mir.

Man kann sich sehr täuschen!

Tinga-Tinga

Ein paar Tage später rief uns Lamek, der Gründer von TEF an. Er lud uns ein, den „Bienenzaun“ in Tinga-Ting, einem Dorf in der Kilimanjaro-Region zu besuchen.
Die Fahrt nach Tinga-Tinga war schon ein Abenteuer an sich. Auf dem Weg durch die Savanne war von einer Piste oder gar Straße keine Spur. Wir waren nicht sicher, ob wir der freundlichen Stimme von Google Maps trauen konnten. „Nehmen Sie die zweite Ausfahrt rechts“ Aber es gab weder eine erste noch eine zweite Ausfahrt – es gab keine Straße. Aber die Richtung stimmte ungefähr.

Auf dem Weg nach Tinga-Tinga: „Nehmen Sie die zweite Ausfahrt rechts.“

Ein paar Zebras und Giraffen kümmerten sich wenig um unser Auto und Elefanten sahen wir nicht.
Als wir mit zwei Stunden Verspätung Tinga-Tinga erreichten fanden wir die weißen Kisten des Bienenzauns sofort. Sie hingen in etwa 1 Meter Höhe und im Abstand von 5-6 Metern an wackligen Drähten, sauber nummeriert und mit den Namen der Spender versehen.
Dann tauchte auch der Jeep von TEF auf. Nach kurzer Begrüßung ging die Mannschaft gleich an die Arbeitsvorbereitung und es war nicht viel Zeit für Unterhaltungen. Innerhalb kurzer Zeit verwandelten sich die Büroangestellten aus Moshi in Bienen-Profis und halfen uns und sich gegenseitig in die Imkeranzüge.

Das TEF-Team mit zwei europäischen „Aliens“.
Wie bienensicher unsere Verpackung war, stellte sich im Praxistest heraus.

Reissverschlüsse und vor allem die Übergänge zwischen dem Anzug ,Stiefeln und Handschuhen wurden zusätzlich mit Tape verklebt, um sie bienensicher zu machen. Dann marschierten wir, bewaffnet mit Rauchtöpfen, Bürsten, Eimern und anderen Utensilien zum ersten Stock. Deckel abnehmen, das Volk inspizieren, „reife“ Waben herausnehmen, abbürsten und in den Eimer stecken, der anschließend wieder dicht verschlossen wurde.
Die Rauchtöpfe machten keinen starken Eindruck auf die Bienen – sie waren durch die Störung sehr verärgert und jeder von uns war bald von einem wütend brummenden Schwarm umgeben.

Stock Nr. 3, der Deckel ist bereits abgenommen.
Bevor die Waben herausgenommen werden, wird kräftig Rauch gepustet – viel hilft das nicht, eher werden die Bienen noch etwas ärgerlicher.

Nach dem zweiten oder dritten Stock entdeckte ich die erste Biene innerhalb meines Anzugs, dann waren es zwei, vier, sieben oder acht. Man kann sie nicht wegwischen und nur abwarten, ob sie stechen oder nicht. So ganz dicht war das Tape dann wohl doch nicht! Nach drei oder vier Stöcken musste ich aufgeben um nicht in Panik zu geraten. Die TEF-Crew arbeitete unbeirrt weiter, sie mussten noch 300 Boxen inspizieren und würden erst gegen Mitternacht fertig sein.
Ein paar Stiche hatte ich abbekommen, aber nach knapp einer Stunde ließ der Schmerz nach. Für sensible Menschen können 5 bis 6 Stiche aber schon recht gefährlich sein.

Stephan und die Bienen.
Zumindest gefühlt waren es wesentlich mehr Bienen,
die um meinen Kopf herum brummten.

Bienen und Honig

Die afrikanische Honigbiene Apis mellifera scutellata ist aggressiver als unsere „zahmen“ europäischen Honigbienen (Apis mellifera mellifera). Man darf sie aber nicht mit den afrikanisierten Honigbienen verwechseln, die von Südamerika bis in die USA Probleme machen. Diese sind Hybride aus importierten afrikanischen und europäischen Honigbienen, die sehr aggressiv sind und auch als „Killerbienen“ bezeichnet werden.
Honig ist seit Jahrhunderten ein wichtiger Bestandteil der Nahrung in Subsahara-Afrika. Bei den Hadzabe (Artikel folgt), einem sehr ursprünglichen Jäger- und Sammlervolk, macht er 11% der Ernährung aus. Bei einer Fahrt durch die Savanne sieht man immer wieder längs aufgeschnittene Baumstämme, die in Bäumen aufgehängt sind und von wilden Bienen besiedelt werden.
Die Völker sind in der Regel kleiner als die der europäischen Honigbiene. Ein gefüllter durchschnittlicher Stock wiegt 60 bis 80kg und hat 5.000 bis 10.000 Bienen – das würden die Drähte des Bienenzauns nicht tragen. Ich habe keine genauen Angaben, schätze aber die Völker des Bienenzauns auf etwa die Hälfte an Gewicht.

Im Gegensatz zur europäischen Honigbiene neigt Apis mellifera scutellata zur Bildung von Migrationsschwärmen. Das heißt, Bienenvölker ziehen um, wenn die Bedingungen an einem Standort schlechter werden oder wenn sich anderswo bessere Siedlungsbedingungen ergeben. Das kann für die Besiedlung von Bienenzäunen günstig sein, andererseits können Völker auch wieder abwandern, wenn die Nahrungskonkurrenz zu stark wird.

Der Zaun und die Elefanten

Der Bienenzaun in Tinga-Tinga ist mit 300 Boxen mehr als 1,5 km lang und schützt die zum Nationalpark gelegene Seite des Dorfes. Die Boxen werden über Spenden finanziert und kosten etwa 50 US$ inklusive Pfähle und der Drahtkonstruktion. Über 90% der Boxen werden spontan von wilden Bienenvölkern besiedelt. Die wacklige Drahtaufhängung ist beabsichtigt. Stößt ein Tier gegen den Stock reagiert das gestörte Bienenvolk sofort und stürzt sich auf den Eindringling. Elefanten mit ihrer praktisch nackten Haut sind nicht wirklich Dickhäuter und reagieren sehr empfindlich. Anscheinend wissen die Bienen sehr genau, dass Stiche in den Rüssel besonders geeignet sind, um Elefanten zu ärgern. Das Resultat: nach ein paar unangenehmen Begegnungen reicht das Summen der Bienen schon aus, um die Elefanten zum Rückzug zu bewegen.
Einen absoluten Schutz bieten die Zäune aber nicht. Elefanten sind klug und finden sehr schnell Lücken wie z.B. nicht besiedelte Stöcke. Wie systematische Studien zeigen, helfen sie aber deutlich, den Vandalismus zu reduzieren.
Die Kosten sind nicht nur erschwinglich, aus der Honigproduktion kann sogar ein zusätzliches Einkommen für die Bauern entstehen. Am Ende könnte es sogar sein, dass, ähnlich wie bei Philipo, der Honig mehr Einkommen bringt, als die mühsame Landwirtschaft.

Der Bienenzaun in Tinga-Tinga ist mit 300 Boxen mehr als 1,5 km lang und schützt die zum Nationalpark gelegene Seite des Dorfes. Die Boxen werden über Spenden finanziert und kosten etwa 50 US$ inklusive Pfähle und der Drahtkonstruktion. Über 90% der Boxen werden spontan von wilden Bienenvölkern besiedelt. Die wacklige Drahtaufhängung ist beabsichtigt. Stößt ein Tier gegen den Stock reagiert das gestörte Bienenvolk sofort und stürzt sich auf den Eindringling. Elefanten mit ihrer praktisch nackten Haut sind nicht wirklich Dickhäuter und reagieren sehr empfindlich. Anscheinend wissen die Bienen sehr genau, dass Stiche in den Rüssel besonders geeignet sind, um Elefanten zu ärgern. Das Resultat: nach ein paar unangenehmen Begegnungen reicht das Summen der Bienen schon aus, um die Elefanten zum Rückzug zu bewegen.
TEF führt Schulungen durch, zeigt den Bauern, wie die Bienenstöcke betreut werden und wie der Honig geerntet wird. Kurz nach unserem Besuch wurde ein erster Container geliefert, in dem die Honigverarbeitung stattfinden soll.

Der Container ist groß und eindrucksvoll.
Bisher ist er aber innen noch leer und wann die Ausstattung kommt, ist ungewiss.

Die „Zaunbienen“ werden gewiss keine Hochleistungsstöcke, aber bei 300 Kästen könnten schon ein paar tausend Kilo Honig geerntet werden.
Das Reiseunternehmen Chamäleon fördert das Projekt „Bienenzaun“ und bringt auch Touristen nach Tinga-Tinga (https://www.chamaeleon-reisen.de/Nachhaltigkeit/Bienenzaun). Das schafft Aufmerksamkeit und auch einen kleinen Absatzmarkt für den Honig. Für Besucher ist eine Teilnahme bei der Inspektion der Bienenstöcke und bei der Honigernte jedoch eher nicht empfehlenswert.

Offene Fragen

Trotz aller Begeisterung für das Projekt muss man auch kritische Fragen stellen. Lamek hat sie bisher nicht beantwortet.
Die Einbeziehung der Dorfbewohner ist essentiell. Uns fiel auf, dass bei Inspektion und Honigernte kein Bewohner von Tinga-Tinga dabei war. Nur ein paar Kinder standen am Anfang des Zauns, beobachteten uns und wollten Geld und Süßigkeiten haben.

Die Dorfkinder freuen sich über den Besuch des TEF-Teams denn von denen gibt es immer ein paar Süßigkeiten.
Ansonsten hatten sie kein großes Interesse an dem Zaun.

Der Erhalt des Zauns braucht regelmäßige Inspektionen, Reparaturen, Beobachtung der Bienengesundheit und vieles mehr. Kann TEF langfristig die Bauern motivieren und entsprechend ausbilden, diese Arbeiten zuverlässig zu leisten?

Noch anspruchsvoller ist die Honigproduktion. Es geht um eine Anlage mittlerer Größe, in der mehrere tausend Kilo verarbeitet und verpacken werden müssen. Es wäre großartig, die Bauern so zu schulen, dass sie das erforderliche technische Gerät bedienen und letztlich die Produktion eigenständig bewerkstelligen können. Ob das realistisch ist, ist eine große Frage.

Mehrere tausend Kilo Honig zu vermarkten ist auch eine Herausforderung. Ist dafür die erforderliche Infrastruktur vorhanden und gibt es Abnehmer? Der Direktverkauf an Touristen wird bei weitem nicht ausreichen.

Ökologisch betrachtet kann die Ansiedlung von 300 oder mehr Bienenvölkern schon Veränderungen im Ökosystem bedeuten. Es wird Nahrungskonkurrenz zu anderen Blütenbesuchern geben und möglicherweise eine überproportionale Verbreitung von Pflanzen, die besonders gerne von Bienen besucht werde.

Wenn das Nahrungsangebot nicht ausreicht, könnten Völker Migrationsschwärme bilden und abwandern – dann wäre der Bienenzaun weniger effektiv.
Eventuell müssten zusätzlich bienenfreundliche Blühpflanzen ausgesät werden – was ebenfalls einen Eingriff in das Ökosystem bedeuten würde.
Auch wenn die afrikanischen Völker deutlich kleiner sind könnte das Nahrungsangebot für 300 Stöcke in der relativ kargen Landschaft schon limitierend sein.

Ob diese Faktoren eine Rolle spielen, kann ich nicht sagen. Meines Wissens gibt es dazu auch keine systematischen Untersuchungen. Gerade deshalb wäre eine wissenschaftliche Begleitung des Projekts unbedingt erforderlich – bisher scheint das nicht der Fall zu sein.

Ich will das Projekt „Bienenzäune“ keinesfalls schlechtreden. Im Vergleich zu anderen Maßnahmen scheint es die beste Lösung zum Schutz vor Elefanten zu sein. Dennoch muss man kritische Fragen stellen und möglicherweise negative Effekte rechtzeitig im Blick haben.

Autor: Wolfgang Nellen, BioWissKomm
Fotos: Stephan Auner, Wolfgang Nellen