(Tansania 2)
Tansania ist weit überwiegend ein Agrarland das aber großem Wandel unterliegt. Ackerbau und Viehzucht werden weitgehend extensiv und als Subsistenzlandwirtschaft betrieben. Das wird sehr bald nicht mehr für die wachsende Bevölkerung ausreichen. Intensivierung der Landwirtschaft und Erhalt der Kulturlandschaft, traditionelle Weidewirtschaft und Ackerbau, Wirtschaftswachstum (vor allem für Bildung und Entwicklung) stehen im Konflikt.
Ein Überblick und eigene Eindrücke von meinem Besuch in Tansania.
Ackerbau
Landwirtschaft ist mit 46% des BIP die stärkste Säule der tansanischen Wirtschaft. Ca. 75% der Bevölkerung arbeiten in der überwiegend subsistenzorientierten Landwirtschaft. Es werden Hirse, Yams, Maniok, Mais und Hülsenfrüchte und anderes angebaut. Die Erträge sind gering und liegen nur wenig über dem Eigenbedarf. Es fehlt an Dünger, Pflanzenschutz, fortschrittlichem Saatgut und Maschinen. 70% des Landes werden mit der Hand bestellt, 20% mit Ochsenpflug und nur 10% mit Landmaschinen.
Die Feldarbeit mit der Hacke und in praller Sonne ist anstrengend und wenig effektiv.
Zu einem großen Teil wird Landwechselwirtschaft betrieben, d.h. man wechselt Anbauflächen jedes Jahr um der „Bodenermüdung“ auszuweichen. Die Felder bleiben brach liegen und werden oft erst nach 10 Jahren erneut bepflanzt.
Ob die extensive Landwirtschaft den Bevölkerungszuwachs von knapp 3% pro Jahr auf Dauer ernähren kann, ist unwahrscheinlich.
Den von „Brot für die Welt“ propagierten „Ökolandbau gegen den Hunger“ halte ich für fragwürdig. Die europäische Nachfrage nach „Bio-“ und „Ökoprodukten“ mag für den Export attraktiv sein, die Ernährung der wachsenden Bevölkerung in Tansania, wird dadurch nicht gesichert. Der Import von Nahrungsmitteln hat sich seit 2019 verdreifacht. Mit einer Landwirtschaft, die bewusst auf höhere Produktivität verzichtet, wird man kaum gegensteuern können. Das geringe Einkommen der Bauern hat auch Einfluss auf die Bildung. Trotz Verbesserungen im Schulsystem (-> Beitrag folgt) ist Bildung teuer.
Viehzucht
Knapp 70% der Landfläche sind Weideland, auf dem 22 Mio Rinder, 15 Mio Ziegen und 6 Mio Schafe gehalten werden.
Rinderherde in der kargen Savannenlandschaft.
Die Tiere sind der kargen Vegetation angepasst, liefern aber wenig Fleisch und Milch. Der Fleischverzehr liegt bei nur 11 kg/Person und Jahr – nicht etwa weil die Tansanier freiwillig auf Fleisch verzichten – die extensive Tierhaltung bringt nicht viel mehr und außerdem wird noch Fleisch exportiert. (Zum Vergleich: in Deutschland liegt der Fleischkonsum bei ca. 50 kg/Person und Jahr.)
Die Regierung strebt an, die Tierhaltung durch Einkreuzung produktiver Rassen und Zufütterung mit Kraftfutter zu intensivieren. Ob das mit der üblichen Weidehaltung vereinbar ist, bleibt abzuwarten.
Viele der Stämme in Tansania sind traditionell Viehhirten und es gibt, ebenso traditionell, einen Konflikt zwischen ihnen und den Ackerbauern. Dies gilt besonders, weil zunehmend Weideland in Ackerland verwandelt wird (s.u.).
Ein weiterer Konflikt entsteht durch Tier- und Naturschutz. Die großen Nationalparks wie Serengeti und Ngorongoro-Krater sind Tourismusmagnete und bringen Einnahmen von ca. 1 Mrd. Euro pro Jahr. Der Schutz der Wildtiere bedroht allerdings die Landwirtschaft am Rande der Parks und hat u.a. zu großen, stark kritisierten Umsiedlungen der Massai geführt.
Es ist für die Regierung ein schwieriger Balanceakt, gleichzeitig die Produktivität von Ackerbau und Viehzucht zu steigern, Konflikte auszugleichen und sowohl das landschaftliche als auch das kulturelle Erbe zu erhalten.
Das Land von Babu Limay
Die Savanne bei Mangola in der Region Aruscha ist Viehzüchterland. Im Interview mit Babu Limay (-> Beitrag folgt), dem (Schwieger-) Großvater meiner Gastgeber Agripina und Stephan, erzählt er über sein Land. Vor etwa 60 oder 70 Jahren, vor der Unabhängigkeit Tansanias, hat er in der Savanne ein Gebiet für sich, seine Familie, seine Ziegen und Rinder abgesteckt.
Babu Limay auf der täglichen Wanderung durch sein Land.
Heute hat er etwa 120 Rinder, die in kleineren Gruppen von Hirten zu den besten Weideplätzen gebracht und bewacht werden. Mit seinen etwa 90 Jahren macht Limay das nicht mehr selbst, aber er wandert täglich über sein weites Land, schaut nach den Tieren und besucht Nachbarn.
Weil trotz der Hirten ab und zu Tiere verloren gehen (oder gestohlen werden?) sind sie durch Brandzeichen gekennzeichnet. Das große L steht für Limay.
Es gibt dornige Büsche, Kakteen, zwischendurch immer wieder Bäume wie Schirmakazien und die etwas unförmigen Baobabs, die Schatten spenden. Je nach Regen wachsen mehr oder weniger Gras und Kräuter. Die Tiere sind keine Hochleistungsrassen aber zäh und genügsam. Die Weidewirtschaft trägt auch zum Erhalt der Savannenlandschaft bei.
Konflikte
Ein Nachbar hat jetzt einen großen Teil seines Landes abgeholzt und gerodet, um Zwiebeln anzubauen.
Auf einer großen, vollständig „gereingten“ Fläche bearbeiten etwa 30 Landarbeiter den Boden mit Hacken.
Limay ist entsetzt und verärgert. Das Land wird sterben, sagt er. Auch mit künstlicher Bewässerung (die auf jeden Fall erforderlich ist) wird es ohne schützende Sträucher und Bäume austrocknen. „Drei oder vier Jahre werden sie Zwiebeln und Gemüse ernten. Dann haben wir Wüste, die auch für das Vieh nicht mehr brauchbar ist.“
Auf der anderen Seite der Schotterstraße liegt die Savanne in der ein paar Hirten ihre 20 bis 30 Rinder zu neuen Futterplätzen treiben.
Was ist nachhaltig?
Was erhält die Kultur?
Was erhält die Landschaft?
Was sichert die Ernährung? (-> Beitrag folgt)
Was fördert Bildung und Entwicklung?
Eine Rinderherde zieht gemächlich zu einem neuen Futterplatz. Irgendwo zwischen den Büschen steht der Hirte und achtet darauf, dass möglichst alle Tiere mitkommen.
Autor:
Wolfgang Nellen, BioWissKomm