CRISPR-Cas Experimente fürs Küchenlabor?
Dieser Artikel zu einem neuen CRISPR-Kit rückt Jo (ehemals Josiah) Zayner mal wieder ins Rampenlicht.
Zayner hatte 2017 auch in Deutschland Aufsehen erregt, als über seine Firma „The Odin“ das erste DIY-Kit zu CRISPR-Cas verkaufte. Wir hatten mit unserem damaligen Verein Science Bridge das Kit sehr interessiert getestet und waren zu dem Schluss gekommen, dass es nichts taugt. Neben einer unzureichenden Qualitätskontrolle war das Design des Experiments falsch und konnte so gar nicht wirklich funktionieren. Zudem war es an deutschen Schulen entsprechend den Gentechnikgesetzen verboten. Uns hatte das „Odin-Experiment“ aber motiviert, einen neuen Ansatz zu versuchen. Dieser Versuch funktioniert auch und wird inzwischen von der amerikanischen Firma miniPCR vertrieben.
Inzwischen wird es an hunderten von Schulen in USA und anderen Ländern durchgeführt. In Deutschland ist es verboten bzw. nur in Sicherheitslabors erlaubt (die i.d.R. an Schulen nicht verfügbar sind). Einige Schülerlabore, besonders das Gläserne Labor in Berlin, bieten das Experiment in ihren S1 Laboren an . Auch in Kassel war das möglich, musste dann aber auf Intervention der Universität eingestellt werden. Das war wohl ganz im Sinne von Harald Ebner, Gentechnikexperte von B90/Grüne, der solche Einblicke für gefährlich und unverantwortlich hält. Selbst auf persönliche Einladung hat er sich geweigert, sich einen solchen Kurs anzusehen.
Jo Zayner will nun ein „Bio-Hacker“ oder „DIY-Biology“-Kit auf den Markt bringen, mit dem menschliche Zellen in Zellkultur mit CRISPR-Cas editiert werden können. Seine Motivation war von Anfang an die „Demokratisierung“ der Gentechnik am Menschen: jeder soll das Recht haben, CRISPR-Cas im Heimlabor anzuwenden und auch Selbstversuche am eigenen Körper durchzuführen. Das hatte Zayner schon 2017 mit einer CRISPR-Cas Selbst-Injektion auf offener Bühne propagiert.
Ich halte es für unbedingt nötig, dass nicht nur Schulen, sondern auch die allgemeine Öffentlichkeit verständliche Einblicke in die CRISPR-Cas Technologie bekommen können. Die Praxis im Labor ist dafür ein deutlich besserer Weg als die Theorie im Lehrbuch nachzulesen.
Es ist jedoch ein großer Unterschied, ob Laien unter der Anleitung von Fachpersonal ein Modellexperiment durchführen, oder ob ein Kit per Post an Laien verschickt wird. Im ersten Fall geht es darum, das Vorgehen und die Zielsetzungen der Wissenschaft zu verstehen, die (derzeitigen) Grenzen der Technologie zu sehen und vor allem auch ethische Aspekte zu erkennen. Im zweiten Fall wird mehr oder weniger kompetent experimentiert, oft/meist ohne die erforderliche Rückkopplung von erfahrenen Kollegen.
Die „Bio-Hacker“ Szene ist, vor allem in den USA, sehr divers und reicht von promovierten Molekularbiologen bis zu absoluten Laien, die ihr „Studium“ bei Google und auf Facebook absolviert haben.
In den allermeisten Fällen handelt es sich um enthusiastische junge Menschen, die wissbegierig sind und mit eigenen Händen Erfahrungen sammeln wollen. Die Ergebnisse, die sie mit ihren Experimenten erzielen, sind teilweise eindrucksvoll, bisweilen sogar wissenschaftlich relevant. Außerdem haben sie zur Entwicklung sehr einfacher und preisgünstiger Geräte beigetragen. Die wenigsten der wissenschaftlich Kompetenten glauben jedoch daran, dass sie mit den großen, professionellen Laboren konkurrieren können – und beabsichtigen das auch nicht. Kleine Erfolge und ein anerkannter Beitrag zur Wissenschaft, das wünschen sich aber fast alle.
Ein Teil der Szene ist durch eigene Krankheiten oder Krankheiten im Familien- und Freundeskreis geprägt und sieht gerade in CRISPR-Cas die „silver bullet“, die alle Probleme lösen wird. Wenn Heilsglauben, unzureichendes Wissen und mangelnde Erfahrung zusammentreffen, kann schon ein gefährliches Szenario entstehen. Damit meine ich nicht, dass neue Seuchen oder sonstige Gen-Monster aus Küchenlaboren entkommen, dafür ist die Wahrscheinlichkeit äußerst gering. Viel näher liegt die Möglichkeit, dass sich die Bio-Hacker selbst schaden.
- Der trivialste aber wahrscheinlichste Schaden besteht darin, „erwischt“ zu werden. In Deutschland gibt es kaum ein molekulargenetisches Experiment, das nicht dem Gentechnikgesetz unterliegt. Wer zuhause ein Experiment nachkocht, das seit 30 Jahre routinemäßig im universitären Anfängerkurs durchgeführt wird, macht sich strafbar und muss mit empfindlichen Sanktionen rechnen.
- Nicht alle Chemikalien, die bei molekulargenetischen Experimenten eingesetzt werden, sind ungefährlich. Weil die verwendeten Mengen gering sind, besteht auch hier weniger die Gefahr einer signifikanten Schädigung der Umwelt oder anderer Menschen, wohl aber die Gefahr, dass sich Bio-Hacker mit wenig Erfahrung selbst schädigt.
- Eine seltene, aber deutliche Gefahr sehe ich in Selbstversuchen wie sie Zayner vorgemacht hat (auch wenn er sich später dafür entschuldigt hat) und wie er sie indirekt durch sein Kit motiviert. Die akribischen Sicherheitsvorschriften für Versuche am Menschen sind schon sinnvoll. Die Gefahr, dass Proben nicht ausreichend gereinigt und z.B. mit Toxinen kontaminiert sind, ist nicht zu vernachlässigen. Auch das hat Zayner vorgemacht: die ersten Kits, die er nach Europa verkauft hat, enthielten versehentlich statt einer E. coli Reinkultur ein buntes Gemisch aus teilweise pathogenen Bakterien.
Ein Video von Justin Atkin zeigt die Gefahr auf. Er ist zweifellos recht professionell an die Fragestellung herangegangen und warnt am Ende sehr eindringlich vor jeder Form von Selbstversuchen. Am Anfang macht er aber genau das! Bei Laien und weniger professionellen Novizen entsteht der Eindruck „wird schon nichts schief gehen“ und „wie cool, ich kann mich selbst ‚genmanipulieren‘“. Ohne den Selbstversuch, der auch noch einen Erfolg impliziert, wäre das Video richtig gut!
Zudem schadet die übertriebene Euphorie der Wissenschaft. Die Entwicklung von Gentherapien dauert lange und die Kosten liegen im 6- bis 7-stelligen Bereich – und das sind nicht nur die Profite der Pharmaindustrie!
Ein beliebter Vorwurf von Gentechnikgegnern ist, dass die Industrie „ihre Versprechen nicht eingehalten hat“. Wenn der Eindruck erweckt wird, dass Bio-Hacker „mal eben in der Küche“ eine Therapie einwickeln können, so ist das Wasser auf die Mühlen der Gegner! So funktioniert das einfach nicht und der kleinste Unfall wäre ein massiver Rückschlag für die gesamte Gentechnik.
Man kann DIY-Biology oder Bio-Hacking verbieten oder durch teilweise absurde Gesetzgebung illegal machen. Es wäre jedoch fatal für den Bildungs- und Innovationsstandort Deutschland, die kommende Generation an Wissenschaftlern „abzuwürgen“, indem man ihr Einblicke und Erfahrungen verwehrt.
Wir müssen vielmehr die jungen Enthusiasten „einfangen“ und ihnen (auch außeruniversitär) entsprechende Kompetenzen beibringen. Dazu brauchen wir Freiräume, in denen legal und unter fachlicher Beratung (und Aufsicht!) experimentiert werden kann. Dabei geht es nicht um Bevormundung, sondern um Fachdiskussionen auf mehr oder weniger hohem Niveau, abhängig vom Wissensstand der Hacker.
Es wird viel über „Citizen Science“ geredet. Die sollte jedoch nicht nur im Zählen von Vögeln und Insekten bestehen, sie kann auch im Bereich der Gentechnik stattfinden, wenn entsprechende Voraussetzungen geschaffen und molekularbiologische Experimente nicht politisch zu „kriminellen Handlungen“ gemacht werden.
Von Wolfgang Nellen, BioWissKomm